Sein Gesicht, wie das Aussehen eines Blitzes

gabriel

„Du musst kämpfen“, mit diesen Worten begrüsst er mich heute. Dabei hat er mich noch nicht mal gesehen, denn ich stehe hinter ihm, in seinem Rücken und ich bin leise gegangen, ich habe Turnschuhe an, also kann er meine Schritte nicht gehört haben.„Lass mich bloß in Ruhe damit“, sag‘ ich in den Raum hinein und laufe unter ihm hindurch. Und ich drehe mich nicht um zum ihm, ich will nicht, dass er mir ins Gesicht sieht. Keine Ahnung, ob er jeden so anquatscht, mit mir macht er das jedenfalls fast immer. Ich scheine ein leichtes Opfer zu sein. Manchmal geh‘ ich deshalb extra über eines der Seitenschiffe nach vorne, er kann so lästig sein. „Woher nimmst du dir eigentlich das Recht, mich jedes mal so anzugehen, wenn ich hierher komme? Schließlich komme ich, weil ich gerade nicht kämpfen will, das muss ich doch da draußen schon genug. Also was soll das?“ Ich zucke mit den Schultern und dann drehe ich mich doch um, schaue zu ihm hoch, sehe, wie er die Stirn in Falten legt. Aber heute bin ich dran, heute muss er mir mal zuhören, also mach ich weiter: „Aber du scheinst das nicht zu begreifen, du hängst da oben, wie Ares der Kriegsgott himself und fuchtelst mit deinem Schwert herum. Von wegen Schwerter zu Pflugscharen. Wenn du ihm schon nacheiferst, dann besorg‘ dir wenigstens noch eine Fackel, das ist ja wohl das Mindeste, sonst wirkst du lächerlich“. Ich höre, wie er seine Luft in seinen Lungen bündelt, ganz langsam und ganz tief atmet er ein, ein Gemurmel beginnt sich in ihm zu drehen und nimmt Fahrt in meine Richtung auf. Die Schlange zu seinen Füßen züngelt und kleine Rauchwolken steigen aus ihren Nüstern. Mir wird mulmig und ich laufe weg, die ersten Schritte mache ich rückwärts, aber dann drehe ich mich und laufe mit Blick in Richtung Chor, verstecke mich hinter dem Altar, gehe in die Hocke und lehne mich mit meinem Rücken an eine Säule. Er soll das einfach nur sein lassen. Jetzt höre ich, wie er mit den Flügeln schlägt, ein Sausen hat sich im Innenraum breit gemacht, meine Haare fliegen, verknoten sich. Ich streife das Haargummi von meinem Arm, das ich immer um mein Handgelenk trage und binde sie mir zusammen, dann schlinge ich die Arme um meinen Kopf und lege die Stirn auf meinen Knien ab und warte. Ich will, dass er damit aufhört.

Wie lange ich so kauere, weiß ich nicht, aber irgendwann fühle ich mich stark genug. Und dann gehe ich los, den Mittelgang hinunter, direkt auf ihn zu. „Wenn du glaubst, dass ich Angst vor dir habe, hast du dich gewaltig geirrt, du kannst mir nichts, gar nichts“, schrei‘ ich ihn an und wieder laufe ich unter ihm hindurch. Dieses Mal bin ich es, die mit den Flügeln schlägt. Er dreht seinen Kopf, als ich seinen Blick auf meinem Rücken spüre, hebe ich meine Hand und winke ihm über meine Schulter hinweg zu, dann wende ich mich, ohne anzuhalten nach rechts in Richtung Ausgang.

Leise, ungewohnt sanft dringt seine Stimme in meine Ohren.

„Vielleicht musst du gar nicht kämpfen, vielleicht reicht es aus, wenn du aufhörst, dich zu bekämpfen.Vielleicht ist das dein eigentliches Kriegsende.“

Die Blätter, die der Wind durch das Eingangsportal trägt, als ich sie öffne, wirbeln hoch, drehen sich im Kreis, wie in einem Orkan.

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