Dies sind die Abenteuer des Raumschiff Enterprise

Das Laufjahr ist so halbwegs geplant, die Einheiten werden länger, und weil mich vor allem im Sommer die Hitze quält, also zumindest dann, wenn ich laufen will, nicht unbedingt wenn ich im See schwimme oder im Biergarten sitze, besitze ich nun einen superduper Trinkrucksack, der mich fortan davor bewahren wird, japsend mit hochrotem Kopf ausgetrocknet am Wegesrand zu stranden. Sieht profimäßig aus, macht mich jedoch noch lange nicht zu einem. Im Prinzip ist diese Art Equipment sogar ein bisschen peinlich, nicht bei anderen, eher bei mir – ich habe extra die Farbe schwarz gewählt, weil ich hoffe, dass er dadurch quasi unsichtbar wird – aber egal, das Teil ist gekauft, nun soll es ausprobiert werden. Mein erster Versuch, mich als Kamel auf die Strecke zu begeben, scheitert daran, dass ich die Trinkblase nach der Befüllung nicht so verschlossen bekomme, dass sich das eingefüllte Wasser nicht sofort wieder schwallmäßig seinen Weg nach außen sucht. Oben an dieser Blase muss man die Kante zweimal umklappen und dann zum fixieren eine Art Schiene überschieben. Dann sollte es dicht sein. Eigentlich. Naja, ich kriege es jedenfalls nicht hin. Später wird sich bei genauerem Betrachten herausstellen, dass ich die Kante falsch herumgeklappt habe und es so unmöglich ist, die Fixierschiene korrekt aufzuschieben. Den Rucksack lasse ich entnervt im Flur liegen. Das fängt ja schon mal gut an, denke ich, und laufe los, wie ich sonst auch loslaufe, mit einem kleinen 0,2l- Plastikfläschen in der Hand. Das hat es jahrelang getan, das wird es auch heute tun. Warum habe ich eigentlich Geld für dieses doofe Ding ausgegeben, ich ärgere mich ein bisschen.

Nach dem ersten Kilometer habe ich den Rucksack vergessen und schaue beim Piep gewohnheitsmäßig auf die Uhr an meinem Handgelenk. Durchschnittspace 2:15 zeigt sie an. Ok, heute hat sich alles gegen mich verschworen, nichts funktioniert so wie es soll. Ich bleibe stehen, schüttle meine Hand und strecke meinen Arm samt Uhr weit über meinen Kopf in den Himmel, dem GPS-Gott entgegen. Beides ziemlich alberne Aktionen, die dementsprechend auch nichts bringen. Also laufe ich weiter, die wird sich schon wieder einkriegen. Doch gar nichts kriegt sich ein, vor allem ich kriege mich nicht ein. Wie soll ich laufen, wenn ich nicht weiß, ob ich als Kriechschnecke oder Rennschnecke unterwegs bin. Meine Pace liegt nach wie vor bei 2:15.

Mit der Zeit werde ich ruhiger und lockere, ich habe keine Lust mehr auf mein eigenes Gebrummel und lasse die Uhr Uhr sein. Schließlich habe ich auch allen Grund dazu, denn immerhin macht sie mich gerade zum schnellsten Langstreckenläufer der Welt. Ich bleibe stehen, schaue auf die Donau, ich bücke mich, kraule jedem Hund, der an mir vorbeiläuft den Kopf. Mir kann einfach alles egal sein, meine Pace ist heute 2:15 und zwar immer. Niemand auf der ganzen Welt wird jemals so schnell laufen wie ich. Tschacka.

Nach der Hälfte der Strecke laufe ich unter der Autobahn hindurch. Dort gibt es einen hölzerenen Fußgängersteg. Eigentlich kein wirklich schöner Ort. Tauben sitzen hier, alles ist voller Graffiti, es stinkt, nie begegne ich hier jemandem. Aber eigenartiger Weise freue ich mich jedes Mal darauf. Hier ist es irgendwie zeitlos, ich fühle mich für einen kurzen Moment wie im Raumschiff Enterprise. Der Weltraum, unnendliche Weiten, wir schreiben das Jahr 2017, das Jahr, in dem die schnellste Läuferin sämtlicher Galaxien an der Donau entlangrennt. LKWs brausen über meinen Kopf, übertönen den Hall meiner Schritte. Wenn es „Wetten dass“ noch geben würde, könnte ich mich mit der Wette bewerben, die Geschwindigkeit der Laster nur an ihrem Fahrgeräusch zu erkennen, während ich unter ihrer Fahrbahn Kniebeugen mache. Heute setze ich meine Füße besonders fest auf die Holzplanken auf, ich trample richtig. Und alles fühlt sich auf einmal richtig an. Mann, ich laufe ja auch noch immer eine 2:15er Pace. Nichts auf der ganzen Welt wird mich jemals einholen, ich kann ja selbst kaum noch mit mir Schritt halten. Der Steg ist zu Ende, ich hüpfe die Treppe hinunter.

Dann laufe ich auf der anderen Seite der Donau wieder zurück. Es gibt dort so eine Art Damm, kilometerlang kann man vorausschauen, sieht die verschiedenen Brücken, der Fluß ist eingezwängt, seiner Freiheit beraubt. In regelmäßigen Abständen stehen hier Holzbänke. Auf einer dieser Bänke lehnen heute zwei rote Samtkissen. Ich schaue mich um, niemand ist in der Nähe. Ich setzte mich einfach, genieße, streiche mit der Hand über den weichen Stoff und schaue lange flußabwärts bis nach Wien. Dort laufe ich nächsten Monat beim Vienna City Marathon. Noch immer zeigt meine Uhr eine Pace von 2.15h. Ich grinse. Mir kann doch nichts und niemand was.

Als ich nach 18 Kilometern schließlich wieder Zuhause bin, sind genau zwei Sachen übrig: Das Laufen und ich, allem anderen bin ich in einem Wahnsinnstempo davongelaufen.

 

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