„Ja, ist es …“
Nach ungefähr 7 km verdreht sich heute mein Socken im Schuh und zwar so dämlich, dass ich einen Knubbel unter dem Ballen habe, der echt fies drückt. Ich halte an der Bushaltestelle an, an der ich vorher schon vorbei gelaufen bin, setze mich auf die Bank, ziehe meinen Schuh aus, drehe den Socken zurück, schlupfe wieder in den Schuh und binde ihn zu. Ein älterer Herr mit grauen Haaren steht ein Stück neben mir. Seine Körperhaltung ist ein wenig gebückt, als stütze er sich auf einen Stock, nur dass er keinen Stock hat. Er sieht mich an und frägt : „Das, deine Land?“ Ganz kurz lässt er seinen Blick schweifen und bewegt seine Hand, nein, eigentlich sind es nur seine Finger, die er irgendwie anhebt, ganz schnell. Ich nicke nur, sage nichts, und schaue ihn an. Dass „das“ nicht seine Heimat ist, kann ich sehen, nicht nur an seiner dunkleren Haut, ich habe es auch an den drei Worten gehört, die er gesprochen hat und ich habe es an dem traurigen Glänzen seiner Augen gesehen.
Der Bus fährt vor, hält an, der Fahrer öffnet die Türe, ich stehe auf. Der Mann sieht mich an, dann macht er einen Schritt auf mich zu, nimmt meine Hand und tätschelt sie für einen Moment, wie ein Vater oder Großvater, die Hand seines Kindes oder seines Enkels streichelt und sich dabei sehnlichst wünscht, dass dieser geliebte Mensch nicht das erleben muss, was er selbst erlebt hat. Ich lege meine Hand auf seine. Der Busfahrer ruft durch die geöffnete Türe: „Was ist jetzt, wollen Sie mit oder nicht?“ Der Mann dreht sich um, steigt in den Bus und fährt davon.
Ich bleibe noch eine Weile stehen, bevor ich weiterlaufe.