Brooklyn Bridge is everywhere

Endlich laufe ich über diese Brücke, sie wird mich verändern, das kann ich schon bei den ersten Schritten spüren, durch sie werde ich zu einem Marathoni, endlich, es wird Zeit. Das ist, was noch fehlt. Seit ich mit dem Laufen angefangen habe, träume ich davon, dass meine Füße mich darüber tragen und mir somit der Ritterschlag zuerteilt wird.

Irgendwo im hinteren Drittel bin ich gestartet und seitdem laufe ich wie in Trance gegen den kalten Wind an, der die Regentropfen waagerecht durch die Luft wirft und meinen Puls in die Höhe treibt. Um mich sind so viele Menschen, sie flankieren die Seiten, jubeln, schreien, winken, ich schaue um mich, sauge alles in mich auf, vor allem dieses Gefühl, endlich dazuzugehören. Eine Gruppe Cheerleader wirft genau in dem Moment, in dem ich vorbeilaufe, eines ihrer Mädchen in den Himmel. Sie macht einen Salto, die rot-weißen Puschel, die sie in Händen hält, verschwimmen im Moment ihrer Drehung zu einem knalligen Pink. Ich klatsche ihr zu und bin auch schon vorbei. Auf einmal sehe ich am Rand Michelle Vo stehen, zu deren Zumba-Videos ich mitunter durchs Wohnzimmer hüpfe – Alternativtraining nennt man das – ich erkenne sie sofort und laufe ohne lange zu überlegen zu ihr hin. „You‘re doing a great job“, sagt sie zu mir und drückt mich an sich. „Oh, sorry,“ antworte ich, „I‘m pretty sweaty“. Sie lacht nur, „That‘s just sparkle“.

Ich laufe weiter und denke, dass es diese Brücke doch wirklich in sich hat und laufe den Trommeln der Latino-Rhythmen entgegen. Eine Live-Band hat sich auf der rechten Brückenseite in großer Besetzung aufgebaut. Ricky Martin ergreift meine Hand und wirbelt mich herum, bis es mir schwindelig wird. „Hei, ich muss weiter“, sag‘ ich zu ihm lachend. Ich drehe meinen linken Arm und schaue auf die Uhr. Mal wieder bin ich zu langsam.

In weniger als einer Minute bin ich schließlich über diese so besondere Brücke gelaufen. Wahnsinn. Als ich über das Geländer schaue, sehe ich Regentropfen, die in die Donau fallen und untergehen. Flußabwärts, kurz bevor der Fluß sich leicht nach rechts biegt, sehe ich die neonfarbene Jacken zweier anderer Läufer, sonst ist da niemand. Gar niemand.

Am Ende zeigt meine Uhr fast 13km und es wartet keine Medaille und Siegestor auf mich, dafür aber eine heiße Dusche, eine große Kanne Tee und der süße Duft von Zimtsternen, denn meine Tochter hat in der Zeit, in der ich laufen war, mit der Weihnachtsbäckerei begonnen.

Brooklyn Bridge ist überall.

Ein Kommentar

  • Wolfgang Grosse

    Jeden Morgen in der Dämmerung des neuen Tages kommen uns Brücken aus dem Nichts entgegen. Zimtsterne leuchten wie Straßenlaternen den Weg.
    Schritt für Schritt beginnt ein neuer Tag.
    Süßer Duft.
    Ein Sieg.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert